deutsch-polnisches miteinander


Voller Elan kam die Berliner Delegation zu ihren Studienreisen nach Dobiegniew. Allein das Museum mit seiner Reichhaltigkeit an Artefakten löste eine riesige Begeisterung bei den Beteiligten. Genug Material für Bücher, Gastausstellung in Berlin und für endlose Diskussionen. Auch reichlich Fragen für öffentliche Historikerdebatten. Die erste fand schon im Dezember 2019 im Schlosshotel in Mierzęcin statt.

Im Sommer 2020 erfolgte ein weiteres Arbeitstreffen am Museum statt. Die Corona - Einschränkungen wurden zwar wieder gelockert, aber ganz unerwartet machte das Schlagwort „Fördergebiet“ des ILB die Runde. Es sah schon fast so aus als wäre Fantom e.V. mit seinem Sitz in Berlin aus dem Rennen. Dann brachten die Kollegen aus Dobiegniew mit dem Begriff „Antrag auf Fördergebietserweiterung“ eine neue Hoffnung für das gemeinsame Projekt ins Spiel. Nun hieß es zu warten. Die wiedereingeführten Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen verlangsamten zusätzlich die gemeinsame Arbeit. 

Indessen ging die Arbeit am Um- und Ausbau des Museums unverändert weiter. Der Rohbau war im Sommer 2021 schon fertig, als die frohe Kunde über den positiven Bescheid für den Antrag auf „Fördergebietserweiterung“ die am Projekt beteiligten Vertragspartner erreichte. Es wurde sofort eine gemeinsame Begehung des Objektes und des anliegenden Geländes geplant und durchgeführt. Wie gerufen, erschien vor Ort eine Gruppe von Pfadfinder, die bei ihrem Ausflug vom Ferienlager in der Gegend von Dobiegniew nach Sehenswürdigkeiten forschte. Gerade hier war eine am entstehen. Nach einer eingehenden historischen Belehrung durch die Bürgermeisterin, Frau Sylwia Łaźniewska, wurde die Gruppe zur Eröffnung des Museums eingeladen. 


Deutsch-polnische Geschichtsstunden spurensuche

Fantom e.V. unterstützt die Schule am Schloss in Berlin – Charlottenburg bei der Beteiligung am historischen Projekt zum Um- und Ausbaus des Museums für das größte Lager für polnische Offiziere im 2. Weltkrieg, die in damaligen Woldenberg interniert wurden. Die Aufgabe der Schule besteht im Austausch der Jugend mit der Stadt Dobiegniew auf dem Hintergrund des Museumsumbau. Die rein bauliche Maßnahme soll nämlich durch s.g. „weiche Projektteile“ flankiert werden. Die eigentlichen Projektpartner sind die Gemeinde Dobiegniew und unser Verein Fantom e.V., der Verein zur Förderung von Kunst und geschichtlichem Bewusstseins.

Der Name des Projektes beinhaltet gleichzeitig eine inhaltliche Zielrichtung. Der Titel des Projekts heißt nämlich: „Um- und Ausbau des Museums der Woldenberger zugunsten der grenzüberschreitenden Kooperation in Sachen Tourismus. (Projektnummer: 85029101)“

Beide Partner behandeln gemeinsam das schwierige Kapitel der deutsch – polnischen Geschichte, indem sie nicht nur parallel Begegnungen der Historiker und einen kontinuierlichen Jugendaustausch zwischen Dobiegniew und Berlin in Form von Geschichtsstunden organisieren, sondern die Vertragspartner informieren darüber die deutsch-polnische Öffentlichkeit und geben gemeinsam Bücher heraus, die sie öffentlich auf der Buchmesse in Leipzig vorstellen möchten. Das Projekt wird aus den Mitteln der Europäischen Union im Rahmen des „INTERREG VA 2014 – 2020“ unterstützt.

A2019 besuchte eine Auswahl von Schülerinnen und Schülern des 8. Jahrgangs das noch vorhandene Museum kurz vor seiner Schließung. Die Führung durch das Museum machte Dr. Przemyslaw Slowinski, der Rektor der Akademie "Jacob aus Paradies" in Gorzow Wilekopolski.

Deutsche Schülerinnen und Schüler bei der Ankunft vor dem zum Umbau bestimmten Museum, noch vor der ersten Geschichtsstunde.

Es war die erste von 10 Geschichtsstunden, die im Rahmen des Projektes durchgeführt werden. Die Gruppe wurde von der Bürgermeisterin der Stadt, Frau Sylwia Łaźniewska, empfangen. Im Sommer 2020 soll die Kenntnis des Lebuser Landes durch weitere Geschichtsstunden vertieft werden. Deutsch-polnische Schülergruppe bei der Kranzniederlegung auf einer Gedenkplatte für die polnischen Offiziere.

Die Bürgermeisterin Frau Sylwia Lazniewska und Sozialpädagoge Gregor Stach. 
(zwei Bilder unten) 

Die Schüler besuchten gemeinsam mit den polnischen Schülern aber auch das neu gestaltete Fremdenverkehrsamt in Głusko, mit der Flora und Fauna des Drawieński Nationalpark und machten eine digitale Kajaktour auf dem Fluss Drawa.

Deutsch Polnische Schülergruppe, vor der 2. Geschichtsstunde mit dem Schloss Charlottenburg im Hintergrund. Die Führung  durch das Schloss werden Schülerinnen und Schüler der Schule am Schloss übernehmen, die zu Schlossführern ausgebildet worden sind.

Der Schlossführer Krystian, wird während der Schlossführung in polnischer Sprache von der Reporterin des "Radio Zachod" ebenfalls in Polnisch interviewt.

In der Zeit vom 23. - 26.08.2021 fand im Rahmen des Projektes eine zweite Schülerfahrt nach Dobiegniew (ehem. Woldenberg, Nm) statt. Gleich nach der Ankunft wurde unter der Führung eines Regionalisten, Herr Norbert Gierlowski, die Stadt erschlossen.
Es stellte sich dabei heraus, dass die Pflastersteine des alten Marktplatzes, die Steine in der Kirche und in etlichen Häusern zwei Sprachen verstehen: Deutsch und Polnisch. Denn bis Ende Januar 1945 wurde die Stadt von Deutschen bewohnt und danach von Polen.

Die spätmittelalterliche Marienkirche bietet eine perfekte Kulisse für eine multikulturelle Begegnung. Sie ist im Jahr 1335 erbaut und wurde im 16.Jahrhundert evangelisch geweiht. Erst 1945 ist sie katholisch umgeweiht. Die deutsche Schülergruppe besteht aus Katholiken, Protestanten, Moslems und konfessionsfreien Schülern. Die polnische Gruppe ist katholisch.

Bis 1945 hieß der einzige aus dem Mittelalter stammende Verteidigungsturm das Storchennest. Oben hatten sich nämlich Störche ein Nest gebaut und fühlten sich von den Anwohnern nicht gestört.

Am nächsten Tag der Polenfahrt ging die deutsch-polnische Schülergruppe zu Fuß zum früheren Lager für polnische Offiziere „Woldenberg II C“. Dort wird gerade das Lagermuseum im Rahmen des Projektes INTERREG VA 2016-2020 mit den Mitteln der Europäischen Gemeinschaft umgebaut. Die Mittel dieses Projektes haben auch die Reise der Berliner Jugendlichen nach Polen bezuschusst. Einen Anteil trägt die Gemeinde Dobiegniew und ihr Berliner Projektpartner Fantom e.V.
Die früheren Baracken im wirtschaftlichen Teil des Offizierslagers werden inzwischen von den Bewohnern der Stadt eingelebt uns mit viel Aufwand umgebaut.
Die Hauptstrasse des Lagers zieht sich mehrere Hundert Meter hin und bietet auf dem Gelände, inzwischen ohne jegliche Bauten aber mit wild wuchernden Sträuchern und Bäumen, eine weitere Möglichkeit über den Lauf der Zeit nachzudenken.Gleich hinter dem Lager, an der Stelle des früheren Friedhofs für die Lagerinsassen, hielten die Schüler kurz inne und schauten geduldig in die Kamera, um ein weiteres Andenken an die Reise zu bekommen.

Am Nachmittag wendeten sich die Schüler aus beiden Ländern dem „Hier und Jetzt“ zu und gingen in binationalen Teams in die Kajaks und Tretboote hinein. Der touristisch gut erschlossenen See in Osiek (ehem. Wutzig) bietet vielfältige Möglichkeiten der Freizeitgestaltung an.
Am Lagerfeuer sassen die die Schüler*innen bis es dunkel wurde. Dann wurden sie mit dem Bus zu ihrem Quartier gefahren. Da es bis zur Nachtruhe noch Zeit genug war, wurden die neuen Bekanntschaften unter den Projektteilnehmer*innen beim Spazierengehen am Großen See in Dobiegniew vertieft.

Das straffe Programm ging am nächsten Tag weiter. Die deutsch-polnische Schülergruppe besichtigte unter einer Führung das Heimatmuseum der Kreisstadt Drezdenko (ehem. Driesen).
Der Unterbau des späteren Speichers haben die Schweden während ihrer Stadtbesetzung als Pulverkammer erbaut. Die Schüler der beiden Länder wunderten sich sehr als sie erfuhren, dass diese sich mitten in der auf Geheiß des Friedrichs des Großen erbauten Zitadelle befand. Friedrich war auch der Erbauer des Schlosses Charlottenburg, das Schüler*innen aus beiden Länder im Rahmen des Projektes im November 2019 besichtigt hatten.
Die Pulverkammer war der Geschichte der Stadt Driesen, heute Drezdenko, gewidmet. In der ersten Etage wird eine große Ansammlung der Nutzgegenstände aus der Vorkriegszeit präsentiert.
Die oberste Etage des Museums ist der Tiewelt dieser an Waldreichtum kaum zu überbietenden Umgebung gewidmet. In den letzten Jahren wurden dort auch – die in Europa sehr selten anzutreffenden – Bisents in den umliegenden Wäldern heimisch.

Am Nachmittag des dritten Reisetages gab es einen Malwettbewerb zum Thema „Lager Woldenberg II C in meinen Augen“. Nur fünf Personen malten allein an ihrem Bild. Es gab zudem binationale Teams und Teams aus demselben Land. In allen Kategorien gab es Sieger*innen.


Neben den Gewinnpreisen beim Malwettbewerb nahmen alle Schüler*innen auch Geschenktüten des Gastgebers mit nach Berlin. Außerdem wurden Kontaktdaten getauscht und einige Schüler*innen bleiben seitdem in Kontakt. Aber eigentlich wollten alle länger bleiben, weil neben dem interessanten historischen Programm gab es genug Zeit, sich auf die tolle Umgebung der Stadt Dobiegniew und ihre unheimlich herzlichen Gastgeber  einzulassen. Nun werden die polnischen Schüler zum Gegenbesuch in Berlin erwartet.

Im Dezember 2021 kamen die polnischen Schüler zu einem Gegenbesuch nach Berlin. 
Sie mussten am Abend dem starken Licht der Glitzerwelt widerstehen, die sie am Alexanderplatz blendete. Von Anfang an richteten sie ihre Blicke aber auf den Lauf der Geschichte, welcher in der vorhandenen Architektur erkennbar ist. Sowohl dort, als auch an der Gedächtniskirche, die sie noch am selben Abend besichtigten, sind die Spuren des letzten Krieges unübersehbar. Es ist auch erkennbar, dass es dessen gedacht wird.

Am folgenden Tag wurde der Geschichtsstadtrundgang fortgesetzt. Mit der Museumsinsel angefangen, ging die Tour zum Brandenburger Tor, Reichstag und dem Mahnmal der Holocaustopfer. Danach wurde der Potsdamer Platz und das Kulturforum besichtigt. 

Auch der Besuch in der Schule am Schloss, die direkt am Schloss Charlottenburg liegt, gehörte zum Programm. Zunächst wurden alle am Projekt beteiligten Jugendlichen und Erwachsene von der Schulleiterin, Frau Brunhilde Malmwieck begrüßt und wurden mit Süßigkeiten und Obst verköstigt. Dort konnten sie sich aufwärmen, verschiedene Spiele spielen und von der sehr anstrengenden Stadtbesichtigung erholen. 
In der Dunkelheit spazierten die Schüler anschließend am weihnachtlich beleuchteten Kurfürstendamm entlang, bis sie wieder an der Gedächtniskirche ankamen. 

Eine dreitägige Reise in eine Stadt wie Berlin ermöglicht immer nur einen Vorgeschmack und erweckt Lust auf ein richtiges Kennenlernen. Beim Abschied hieß es deshalb: „Bald sehen wir uns wieder!“

Vielleicht wird es möglich zu der Ausstellung der Objektsammlung aus dem Museum in Dobiegniew in der Galerie Fantom wieder nach Berlin zu kommen? 

In den Tagen 06.-08. Juni 2022 fanden weitere Geschichtsstunden in Dobiegniew statt. Unsere 10-Klässler, die seit ihrer 8. Klasse am bilateralen deutsch-polnischen Jugendaustausch teilnehmen, konnten kurz vor ihrem Abschied von der Schule mit ihren gleichaltrigen Partnerschülern aus Dobiegniew zusammenkommen und die gemeinsame Geschichte im Rahmen der Geschichtsstunden ein wenig aufarbeiten. 


Zur Einstimmung auf die Fahrt nach Dobiegniew besuchten unsere Schüler in Berlin 
die Zeitausstellung in der Galerie Fantom, die die Objekte aus dem derzeit noch geschlossenen Museum in Dobiegniew, das sie vor zwei Jahren dort besuchten, ausstellt.

Im Fokus der Geschichtsstunden stand diesmal der Besuch eines anderen Museums für die polnischen Offiziere aus dem Lager II C, die während ihrer Evakuierung aus dem Lager IIC von den sowjetischen in einem Landgut in Dietz, heute Dzieduszyce, beschossen wurden. Der Angriff riss 18 Offiziere in den Tod. Weitere 12 starben später an Folgen ihrer Verletzungen.


Die deutsch-polnische Schülervertreter legten auf dem Grab der getöteten Soldaten, in dem nachträglich auch deutsche Soldaten bestattet wurden, einen Kranz nieder. Eine kurze Rede erinnerte an die Ereignisse des 30.01.1945.

Ein anderer Höhepunkt der Reise war ein Besuch im dendrologischen Garten in Przelewice (ehem. Prillwitz), der die Geschichtsstunde aufs Beste mit Unterricht in Botanikkunde miteinander koppelte. Eine gute Führung ermöglichte Einblicke in die selten vorkommenden Bäume und Sträucher, die vor 200 Jahren eingepflanzt worden waren. Auch hier fehlte es nicht an Dramatik, die 1945 in tragischer Weise den Dendrologen Conrad von Borsig, den Mitbesitzer der Borsig-Werke in Berlin, 1945 sein Leben kostete. Er wurde nach Einnahme des Gebiets durch die sowjetische Armee in seinem Gutshaus Prillwitz erschossen.

Unser Besuch in Polen überzeugte uns zum wiederholten Mal von der großartigen Gastfreundschaft der polnischen Projektpartner, die eine Serie von leckeren Mahlzeiten für beide Schülergruppen auftischten. Die Freizeit wurde mit sportlichen Aktivitäten und Spaziergängen von gemischten Schülergruppen durch die Stadtpromenade am Großen See in Dobiegniew ausgefüllt. Der Austausch von Kontaktdaten zwischen den Schülern beider Länder lässt auf nachhaltige Freundschaften hoffen.